Der Krisenstab ist ein zentrales organisatorisches Instrument der Krisenvorbereitung (antizipatorisches Krisenmanagement). Er ist mit der Aufgabe der Krisenbewältigung betraut und verfügt während der Krise über sämtliche dazu notwendigen Kompetenzen. Zentral sind dabei fachliche Kompetenzen in der Krisenkommunikation und im Rechtsbereich. Je nach Problemlage wird dieser Stab mit weiteren Spezialisten im Bereich der Technik oder der Finanzen verstärkt. Diese holt er sich aus dem Unternehmen selbst und/oder zieht externe Berater hinzu. „Das Team benötigt Fachkompetenz im Problembereich und es benötigt alle nur denkbaren Informationen, die erforderlich sind, um den Sachverhalt richtig zu verstehen, zu beurteilen und einzuordnen.“ (Prinz 2014, S. 228)
4. September 2021
Der Krisenstab ist ein zentrales organisatorisches Instrument der Krisenvorbereitung.
Organigrammbeispiel eines Krisenstabs eines KMU
Eine weiteres Beispiel, adaptiert auf Anforderungen im digitalen Zeitalter:
Organisationsstrukturen
Die Struktur orientiert sich an der Aufgabe des Krisenstabs. Sie sollte so beschaffen sein, dass sie zeitgerechtes, effektives und effizientes Handeln unter erschwerten Umständen ermöglicht. Einfachheit und Verständlichkeit der Stabsorganisation ermöglichen einen reibungslosen Informationsfluss und verhindern während der Krise Diskussionen um Organisationsstrukturen, Aufgaben und Kompetenzen.
Bei der Strukturierung des Krisenstabs sind deshalb die folgenden Organisations- und Führungsgrundsätze zu beachten:
- Der Organisationsaufbau verläuft nach dem Top-down-Prinzip. Dabei geht man von einem klar definierten Auftrag des Krisenstabs aus und splittet diesen downwärts in Teilaufgaben. Erst wenn diese aufgaben-/funktionsorientierte Struktur vorliegt, sucht man nach den geeigneten Personen für die Führung- und Beratungsaufgaben.
- Einer Instanz sind nicht mehr als fünf Organisationseinheiten unterstellt. Es ist erfahrungsgemäss schwierig, in ausserordentlichen Lagen mehr als fünf Direktunterstellte zu führen.
- Ebenso sollte die Linienstruktur zur Gewährleistung des Informationsflusses wie auch der Reaktionsgeschwindigkeit nicht mehr als fünf Führungsebenen beinhalten.
- Aufgabenbereiche und Kompetenzen sämtlicher Instanzen sind in einem Pflichtenheft festzuhalten. Diese dürfen sich auf derselben Führungsebene nicht überschneiden.
- Bilaterale Absprachen zwischen Instanzen auf derselben Ebene oder nach dem Bottom-up-Prinzip gelten als Ausnahmen. Diese sind im Krisenhandbuch festzuhalten.
- Beratende Stabsaufgaben sind klar von Führungsaufgaben zu trennen.
- Zu den Stabsaufgaben gehört in jedem Fall die Krisen‑, Rechts- und Kommunikationsberatung. Weitere Spezialisten für Finanzen, Logistik können von Fall zu Fall beigezogen werden. Die entsprechenden Personen werden vor der Krise bestimmt und mit den Koordinaten im Krisenhandbuch eingetragen.
- Schlüsselinstanzen sollten eine Stellvertretung haben.
Schwächen in der Organisation des Krisenstabs äussern sich in unzeitgerechter, unkoordinierter und unglaubwürdiger interner wie externer Kommunikation, die von den Medien wie von der Öffentlichkeit schnell als solche wahrgenommen wird (siehe Fall Schweizerhalle, S. 182).
Instanzen und Funktionen
Nicht zuletzt müssen die Entscheidungsträger im Krisenstab bestens mit den Grundsätzen und dem Leitbild der Organisation vertraut sein: „Knowing your values – both literally and figuratively – is the crucial first Step in preparing for a crisis […] Finding your roots, the values that are too important to rip out from under your organization, comes first, long before a crisis hits, if you are going to be successful. Know-how comes from know-why.” (Carrel 2004)
Der Leiter des Krisenstabs
Der Leiter des Krisenstabs kann der CEO oder ein Verwaltungsratsmitglied mit Führungserfahrung und möglichst guten Kenntnissen des operativen Geschäfts des Unternehmens sein.
Falls er die Sprecherfunktion innehat, kommen die weiter hinten angesprochenen persönlichen und sozialen Kompetenzen hinzu.
In jedem Falle sollte sichergestellt sein, dass der Leiter während der Krise über eine Stellvertretung vom üblichen Tagesgeschäft entbunden ist.
Sein Stellvertreter im Krisenstab stammt idealerweise von der Abteilung, die von der Krise betroffen ist, respektive von der krisenanfälligsten Abteilung.
Die Assistenz
Die Assistenz übernimmt für den Krisenstab die administrativen und organisatorischen Belange. So führt sie die Protokolle, das Logbuch und kontrolliert den Verteiler des Krisenhandbuchs.
Die Assistenz übernimmt in der Regel die Rolle des Koordinators. Damit ist sie zuständig für die Sicherstellung des Informationsflusses und der Koordination zwischen dem Krisenstab und anderen Stellen wie dem Sekretariat, dem Telefondienst und der betroffenen Abteilung. Dazu gehören insbesondere die Weiterleitung der Aufträge an das Sekretariat sowie der eingegangenen Anrufe an die Leitung des Sekretariats.
Das Sekretariat
Das zuständige Sekretariat (oder Teile davon) inkl. Telefon- und Empfangsdienst sollte möglichst über die Planungsarbeiten, die Absichten und den Verlauf einer Krise informiert werden. Es ist zudem sinnvoll, dieses in die Krisenübungen zu integrieren. Denn es sollte nicht vorkommen (was schon des Öfteren passiert ist), dass eine Telefonistin in Unkenntnis der Sache mit einem Redaktor über etwas plaudert, was vom Krisenstab zur geheimen Sache erklärt worden ist.
Der externe Krisen- und Kommunikationsberater
Mitarbeitende eines Unternehmens haben verständlicherweise die Tendenz, veröffentlichte Informationen, die das Unternehmen betreffen, bezüglich Intensität wie auch Meinungskundgabe überzubewerten. Emotionale und unüberlegte Reaktionen (Fehlverhalten) sind die Folge, die aus einer Bagatelle die eigentliche publizistisch öffentliche Krise heraufbeschwören können (siehe Fall Hoechst). Der Kommunikationsberater hat hier die Aufgabe, die Vorgänge aus der Sichtweise der Bezugsgruppen mit seinem Erfahrungswissen zu vergleichen und zu beurteilen und dabei unüberlegte Überreaktionen zu verhindern.
Er spielt zudem den Advocatus Diaboli, wenn es um strategische Kommunikationsfragen oder die Überprüfung der Wirksamkeit von Statements und Frage-/Antwortspielen geht.
Die Rolle des Mediensprechers (siehe Mediensprecher)
Eine entscheidende Funktion ist diejenige des Mediensprechers während einer Krise. Gegenüber den Printmedien übernimmt diese Aufgabe gewöhnlich der Kommunikationsverantwortliche. Er kommuniziert mit der Öffentlichkeit und den externen Bezugsgruppen.
Der Rechtsberater
Krisen werfen Rechtsfragen auf. Häufig sind Rechtsprozesse und ‑urteile selbst Krisenbausteine. Dies zeigen der VW Dieselskandal (siehe S. 122) wie auch die UBS-Krise in den Jahren 2007 bis 2008 (siehe S. 80). Entsprechend hat der externe oder interne Rechtsberater eine Position im engeren Krisenstab.
Er wirkt beratend, wo rechtliche Schritte eingeleitet werden können, um die Krise zu bewältigen. Er berät ebenso bei der Frage, ob ein Gerichtsurteil angefochten werden soll oder ob eine aussergerichtliche Einigung angebracht ist. Eine leitende Stellung nimmt er ein, wenn es zu Prozessen kommt und der Gerichtsprozess die Hauptursache der Krise ist.
Falls der Gerichtsprozess von einer publizistisch-öffentlichen Krise begleitet ist, berät er die Kommunikationsverantwortlichen und koordiniert die Kommunikationsaktivitäten mit den rechtlichen Massnahmen im Verlauf des Gerichtsprozesses.