Krise

23. August 2021

Jede Kri­se ist ein­ma­lig. Ent­spre­chend viel­fäl­tig sind die Ver­su­che, die­ses Phä­no­men in einer Defi­ni­ti­on zu erfas­sen. Je nach Dis­zi­plin (Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft, Öko­no­mie, Sozio­lo­gie, Psy­cho­lo­gie usw.) wer­den dabei die ver­schie­de­nen Aspek­te einer Kri­se unter­schied­lich gewichtet.

Wir beschrei­ben hier Kri­se mit einer Rei­he von Kri­sen­merk­ma­len, die je nach Kri­se in mehr oder weni­ger aus­ge­präg­ter Form erkenn­bar sind. Die­se Merk­ma­le sind im fol­gen­den Defi­ni­ti­ons­ver­such vorhanden:

Definition und Merkmale

“Als Kri­se emp­fin­den und oder beur­tei­len Betrof­fe­ne, Invol­vier­te oder Inter­es­sier­te einen Zustand (Miss­stand), der (meist) durch eine Abfol­ge unge­woll­ter und unge­plan­ter nega­ti­ver Ereig­nis­se (Kri­sen­bau­stei­ne) her­vor­ge­ru­fen wird, und des­sen Aus­gang ambi­va­lent ist, wobei eine Kata­stro­phe nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann. Kri­sen als Abwei­chung vom Nor­mal­zu­stand ber­gen ein hohes Mass an Unge­wiss­heit bezüg­lich Zeit­punkt des Ein­tref­fens, Dau­er, Inten­si­tät und Aus­wir­kung. Kri­sen als “bad news” fin­den per se das Inter­es­se der Öffent­lich­keit. Sie sind mit einem hohen Mass mit Emo­tio­na­li­tät verbunden.”

Krisenprozesse (Krisenverlaufskarte) und Krisen auf unterschiedlichen Ebenen

Kri­sen im digi­ta­len Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter beschrän­ken sich nicht auf rea­le Ereig­nis­se wie Natur­ka­ta­stro­phen und Fehl­hand­lun­gen; sie wer­den eben­so bestimmt von der Medi­en­be­richt­erstat­tung, der öffent­li­chen Mei­nung und dem Ver­hal­ten von Anspruchs­grup­pen, wie dies auf der Kri­sen­ver­laufs­kar­te ersicht­lich ist. Danach lässt sich “Kri­se” und “Unter­neh­mens­kri­se” auch unter­schied­lich definieren:

Problemebene: Krise als problematischer Zustand

Eine rea­le Kri­se ist ein pro­ble­ma­ti­scher Zustand, der durch eine Ket­te von nega­ti­ven Ereig­nis­sen und Hand­lun­gen (Fehl­ver­hal­ten) zustan­de gekom­men ist. Dabei kann nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass die Aus­wir­kun­gen sowie die poten­zi­el­len Fol­ge­er­eig­nis­se und Fol­ge­ver­hal­ten für die von der Kri­se Betrof­fe­nen zu einer Kata­stro­phe führen.

Gescheh­nis­se auf Pro­blem­ebe­ne Ursa­chen bis zum Zeit­punkt des pro­ble­ma­ti­schen Zustands sowie (unmit­tel­ba­re und ein­ge­schätz­te) Fol­gen und Auswirkungen.

Ob es sich um eine rea­le Unter­neh­mens­krise han­delt, hängt davon ab, wel­che Rol­le das Unter­neh­men in die­ser Hand­lungs- und Ereig­nis­ket­te spielt. Hat es das Pro­blem ver­ur­sacht? Ist es von den Fol­gen betroffen?

Mediale Ebene: Krise als Missstand

Die Medi­en als Dar­stel­ler und Ver­mitt­ler eines Pro­blems spie­len in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft eine zen­tra­le Rol­le, da die wenig­stens pro­ble­ma­ti­sche Zustän­de direkt wahr­neh­men, son­dern auf die Dar­stel­lung in den Medi­en (Aspek­te einer Kri­se) ange­wie­sen sind.

Wir erle­ben also eine Wirk­lich­keit selbst und sind gleich­zei­tig mit einer zwei­ten Wirk­lich­keit kon­fron­tiert, die uns von den Medi­en simu­liert wird. […] Und ich muss die­se zwei­te Wirk­lich­keit genau­so ver­ar­bei­ten wie die direkt von mir wahr­ge­nom­me­ne. (Gil, A. In Tho­mas, H. (1988). Die Welt als Medi­en­in­sze­nie­rung, S. 56)

Eine Kri­se auf media­ler Ebe­ne (publi­zi­sti­sche Kri­se) liegt dann vor, wenn der pro­ble­ma­ti­sche Zustand in den Medi­en als Miss­stand kommuniziert/dargestellt wird. Dabei kann der Akzent auf Sachverhalte/Ereignisse oder auf Personen/Handlungen gesetzt wer­den. Eben­so kön­nen die Ursache(n) oder die Aus­wir­kun­gen betont wer­den. Die­se Deu­tung durch die Medi­en hängt nicht nur von den tat­säch­li­chen Gege­ben­hei­ten auf Pro­blem­ebe­ne ab (tat­sa­chen­ori­en­tiert), son­dern wird eben­so durch die Nach­rich­ten­wer­te, an denen man sich bei der Bericht­erstat­tung ori­en­tiert, beein­flusst (= Deu­tung). In der vor allem per­so­nen­be­zo­ge­nen Kri­sen­be­richt­erstat­tung fest­ge­stell­ten Deu­tun­gen sind meist in der Medi­en­wir­kungs­for­schung fest­ge­stell­te Deu­tungs­mu­ster erkennbar.

Ob es sich um eine publi­zi­sti­sche Unter­neh­mens­kri­se han­delt, hängt von der Darstellung/Deutung des Pro­blems und dem Unter­neh­men zuge­wie­se­nen Rol­len ab (Ver­ant­wort­li­cher, Opfer) ab.

Ebene der öffentlichen Wahrnehmung

Um eine Unter­neh­mens­kri­se auf Ebe­ne der öffent­li­chen Wahr­neh­mung han­delt es sich, wenn der Miss­stand so wahr­ge­nom­men wird, dass man
A) nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Repu­ta­ti­on des Unter­neh­mens in Betracht zie­hen muss (Repu­ta­ti­ons­kri­se, Ver­trau­ens­kri­se, Image­kri­se) (sie­he Coombs), und
B) mit für das Unter­neh­men nega­ti­vem Fol­ge­ver­hal­ten von Anspruchs­grup­pen rech­nen muss (Kri­sen­ver­laufs­kar­te: Ver­hal­tens­ebe­ne von Anspruchsgruppen).

Neben der media­len Dar­stel­lung des Pro­blems (Deu­tung, Dau­er, Häu­fig­keit) spie­len die Glaub­wür­dig­keit der Quel­le (des Medi­ums), das Medi­en­kon­sum­ver­hal­ten sowie die Prä­dis­po­si­ti­on bei den Bezugs­grup­pen bezüg­lich Pro­blem und invol­vier­ten Instan­zen eine gros­se Rol­le (sie­he Erkennt­nis­se der Medi­en­wir­kungs­for­schung unter Prädispositionen).

Man kann davon aus­ge­hen, dass die ver­schie­de­nen Bezugs­grup­pen, je nach Rol­le und Bezug zur Kri­se und zum Unter­neh­men das Pro­blem unter­schied­lich wahrnehmen.

Verhaltensebene von Anspruchsgruppen

Um eine Stake­hol­der­kri­se han­delt es sich, wenn Bezugs­grup­pen gegen das Inter­es­se des Unter­neh­mens auf den wahr­ge­nom­me­nen Miss­stand, der nicht (mehr) mehr ihrer Erwar­tungs­hal­tung ent­spricht, reagie­ren. Dies ent­spricht einer nega­ti­ven Fol­ge­hand­lung auf der Problemebene.

Zusammenhang von Issue, Risiko, Krise und Katastrophe

Aus der Sicht des Risi­ko­ma­nage­ments ist eine Kri­se ein Risi­ko mit hohem Scha­dens­aus­mass, das sich bewahr­hei­tet hat (sie­he auch Sche­ma Issue — Risi­ko — Kri­se).

Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft­ler unter­schei­den unter der Berück­sich­ti­gung der Inten­si­tät des Medi­en­echos zwi­schen plötz­li­cher (abrup­ter), peri­odi­scher und schlei­chen­der Kri­se (sie­he Kri­sen­ver­lauf).

Bei stra­te­gi­schen Kri­sen sind lang­fri­stig ange­leg­te Erfolgs­po­ten­tia­le der Orga­ni­sa­ti­on gestört; stra­te­gi­sche Zie­le kön­nen nicht mehr ver­folgt wer­den und die Exi­stenz der Orga­ni­sa­ti­on ist gefähr­det. Mit ande­ren Wor­ten: Das Unter­neh­men steht vor der Kata­stro­phe (Bick­hoff et al. 2004, S. 5).

Struk­tu­rel­le Kri­se (sie­he Struk­tur­kri­se)

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