13. August 2021 (aktualisiert am 12. Mai 2023)
Als Shitstorm bezeichnet man im deutschsprachigen Raum einen Sturm kritischer Äusserungen im Web 2.0 (Social Media), der meist plötzlich (“lawinenartig”), überraschend und massiv in einem kurzen Zeitraum auftritt. Er richtet sich gegen Personen (Politiker) oder Marken (= Collaborative Brand Attack) und Unternehmen (Fall Mammut) und bezieht sich auf ein festgestelltes Problem. Beim organisierten Shitstorm (Fall KitKat) will man vorwiegend öffentlich Druck machen (bernet.ch). Meist schwappt der Shitstorm von der sachlichen Kritik über in emotionsgeladene (aggressive, beleidigende, bedrohende) verbale Attacken. Ähnlich bezeichnet der Blogger Sascha Lobbo den Shitstorm als Situation, “[…] wenn in einem kurzen Zeitraum eine subjektiv grosse Anzahl von kritischen Äusserungen getätigt wird, von denen sich zumindest ein Teil vom ursprünglichen Thema abgelöst und stattdessen aggressiv, beleidigend, bedrohlich oder anders attackierend geführt wird.”
Er richtet sich gegen Institutionen, Unternehmen oder Personen (Stoffels et al., 2012).
Nach unserem Begriffsverständnis handelt es sich um eine Art von IT-Krisen (siehe IT-Krisen).
Shitstorms lassen sich nach den folgenden Kriterien analysieren und systematisieren:
- Auslöser: Wer oder was hat den Shitstorm ausgelöst?
- Thema: Was wird thematisiert (z. B. Qualität des Produkts oder ein Fehlverhalten)
- Plattform: Über welche Plattformen erfolgt die Verbreitung? (siehe auch Diffusion)
- Emotionen dominieren
Der Shitstorm auf der Krisenverlaufskarte
Die nachfolgende Grafik skizziert den möglichen Verlauf eines Shitstorms auf der Krisenverlaufskarte.
Normbrüche sowie fehlerhafte Produkte und Dienstleistungen als Auslöser
Gegenstand der Kritik ist — analog zum Skandal — direkt oder indirekt moralisch-ethisches, soziales, ökologisches, politisches oder auch wirtschaftliches Fehlverhalten (Normbrüche) (siehe Skandal, Problemebene der Krisenverlaufskarte).
Nicht selten lösen Kommunikationsfehler der Marketing- oder Kommunikationsabteilungen einen Shitstorm aus (Fälle Adidas — Boston Marathon; Adidas — Sklavenschuh).
Aber auch Produkte und Dienstleistungen können über einen Shitstorm angeprangert werden, wenn sie Mängel aufweisen z. B. Dell Hell) oder ihre Produktion mit Fehlverhalten in Verbindung gebracht wird (z. B. Shitstorm gegen KitKat).
Diffusion über Social Media
Shitstorms finden hauptsächlich in sozialen Medien statt. Das dem Shitstorm zugrunde liegende Problem oder der Shitstorm selbst (als Ereignis) können aber auch in klassischen Medien thematisiert werden.
Der erste bekannte Shitstorm (Dell Hell) wurde durch einen Blogbeitrag initiiert. Nach Stoffels et al. entlädt sich der Sturm der Entrüstung in der Regel über Twitter und wird mit dem Hashtag #shitstorm verschlagwortet (Stoffels et al., 2012). Bekannt sind aber auch Shitstorms, die mit einem Videobeitrag (beispielsweise auf YouTube) ausgelöst werden (Kitkat, Domino’s Pizza, United Airlines).
Shitstorm-Skala
“Nicht jede Einzelkritik oder jede vulgäre Aussage ist ein Shitstorm. So hat die Social Media Agentur FEINHEIT GmbH eine Skala erstellt, um die Stärke des Shitstorms zu bestimmen und zu kategorisieren […]. Auf den Stufen 1 und 2 wird Kritik geäussert. Diese kritischen Äusserungen werden jedoch nicht viral verbreitet. In der Stufe 3 wird die wiederholte und andauernde Kritik von den ersten Blogs und Online-Medien aufgegriffen. Die öffentliche Wahrnehmung von der Kritik im Internet geschieht nicht durch die kritischen und negativen Kommentare selbst, die im Internet veröffentlicht werden. Erst dadurch, dass Blogs, Online-Medien und später auch klassische Mainstream-Medien das Thema aufgreifen, erlangt eine breite Öffentlichkeit Kenntnis von dem Shitstorm. An dieser Stelle hat sich die Kritik so sehr verselbstständigt und von dem ursprünglichen Kritikpunkt entfernt, dass man ab Stufe 4 von einem Shitstorm sprechen kann […]. Dieser wird mit Zunahme der medialen Berichterstattung dann stärker und erreicht die Stufen 5 und 6.” (Kleineberg, 2012, S. 20–21)
Grundsätze und Empfehlungen
siehe Grundsätze & Empfehlungen Shitstorm
Auswirkungen und Erholung vom Shitstorm
Siehe Printerest: The Fail Trail
Shitstorm und Emotionen
Shitstorms sind nicht nur verbal geäusserte emotionale Reaktionen auf Missstände. Sie haben ebenfalls eine stark emotionale Wirkung auf die Angeprangerten wie auf die Rezipienten (siehe Emotionen und Rad von Plutchik).
Alternative Protestformen im Web
Neben dem Shitstorm in den Social Media gibt es andere, geplante Protestformen im Web:
(Aus: Rudolf, 2012, S. 30)
Quellen/Unterlagen
Sozial Media für Unternehmen: Was Sie beachten sollten: https://www.w‑vision.ch/de/blog/46788/social-media‑f%C3%BCr-ihr-unternehmen-was-sie-beachten-sollten
Shitstorm Scale: https://feinheit.ch/media/medialibrary/2012/04/shitstorm-skala_2.pdf
Wie man einen Shitstorm überlebt:
Analyse der Plattforms: https://schwedin.ch/de/welche-social-media-plattform-eignet-sich-fuer-welche-ziele-und-zielgruppen /