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tabaeris/chatgpt, 14. Dezem­ber 2025

Der Begriff Kon­text bezeich­net im Rah­men der Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­schung den Bedeu­tungs­rah­men, inner­halb des­sen kom­mu­ni­ka­ti­ve Hand­lun­gen, media­le Dar­stel­lun­gen und öffent­li­che Reak­tio­nen auf Kri­sen ver­ständ­lich wer­den. Er umfasst sowohl tex­tu­el­le und kom­mu­ni­ka­ti­ve als auch sozio­lo­gi­sche und insti­tu­tio­nel­le Dimen­sio­nen, die gemein­sam die Wahr­neh­mung, Deu­tung und Bewer­tung einer Kri­se strukturieren.


Textueller Kontext

Der tex­tu­el­le Kon­text betrifft die sprach­li­che und nar­ra­ti­ve Ebe­ne der Kri­sen­dar­stel­lung. Bedeu­tung ent­steht hier durch die Wahl von Frames, Meta­phern, Argu­men­ta­ti­ons­mu­stern und mora­li­schen Wert­be­zü­gen. Die­se Text­ele­men­te ver­wei­sen zugleich auf inter­tex­tu­el­le Bezü­ge zu frü­he­ren Dis­kur­sen oder gesell­schaft­lich eta­blier­ten Deu­tungs­mu­stern. Im Rah­men inhalts­ana­ly­ti­scher Ver­fah­ren bil­det der tex­tu­el­le Kon­text somit das zen­tra­le Objekt empi­ri­scher Unter­su­chung: Er zeigt, wie Kri­sen sprach­lich kon­stru­iert werden.


Kommunikativer und situativer Kontext

Der kom­mu­ni­ka­ti­ve Kon­text beschreibt die kom­mu­ni­ka­ti­ven Bedin­gun­gen und situa­ti­ven Umstän­de, unter denen Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on statt­fin­det. Dazu gehö­ren die Akteurs­kon­stel­la­tio­nen, Medi­en­lo­gi­ken, Zeit­ver­läu­fe und emo­tio­na­len Dyna­mi­ken, wel­che die Anschluss­fä­hig­keit bestimm­ter Deu­tun­gen bestim­men. Situa­ti­ver Kon­text meint ins­be­son­de­re die fak­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen der Kri­se (Ereig­nis­ver­lauf, Akteurs­ver­hal­ten, media­le Reso­nanz), die in engem Wech­sel­ver­hält­nis zu ihrer kom­mu­ni­ka­ti­ven Dar­stel­lung stehen.


Soziologischer Kontext

Im sozio­lo­gi­schen Ver­ständ­nis (vgl. Luh­mann, Bour­dieu, Goff­man) bezeich­net Kon­text den struk­tu­rie­ren­den Rah­men sozia­ler Sinn­pro­duk­ti­on. Er umfasst die insti­tu­tio­nel­len und kul­tu­rel­len Bedin­gun­gen, die fest­le­gen, wel­che Deu­tun­gen in einer Gesell­schaft oder Tei­löf­fent­lich­keit als plau­si­bel, legi­tim oder erwart­bar gel­ten. Dazu zählen:

  • gesell­schaft­li­che Dis­kur­se und nor­ma­ti­ve Erwartungsstrukturen,
  • das sym­bo­li­sche, sozia­le und kul­tu­rel­le Kapi­tal der betei­lig­ten Akteu­re (Bour­dieu),
  • die syste­mi­schen Erwar­tungs­struk­tu­ren sozia­ler Teil­sy­ste­me (Luh­mann),
  • sowie Inter­ak­ti­ons­rah­men und Deu­tungs­rah­men im Sin­ne Goffmans.

Der sozio­lo­gi­sche Kon­text erklärt, war­um bestimm­te Kri­sen­deu­tun­gen Reso­nanz fin­den, wäh­rend ande­re auf Wider­stand stossen.


Funktion im Rahmen von KMK

Im KMK – Orga­ni­sa­tio­na­le Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on: Situa­ti­ons­ana­ly­se und stra­te­gi­sche Ent­scheid­fin­dung dient der Kon­text­be­griff als ana­ly­ti­sches Bin­de­glied zwi­schen empi­ri­scher Daten­er­he­bung und stra­te­gi­scher Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­ra­tung. Er ver­bin­det situa­ti­ve Daten (Frames, Emo­tio­nen, Rol­len­zu­schrei­bun­gen) mit nicht-situa­ti­ven Fak­to­ren (Repu­ta­ti­on, Erwar­tun­gen, Kri­sen­ge­schich­te). Dadurch ermög­licht er, Bot­schafts­stra­te­gien nicht iso­liert, son­dern im Ver­hält­nis zu den sozia­len, kul­tu­rel­len und dis­kur­si­ven Bedin­gun­gen einer Kri­se zu bewer­ten. Kon­text wird so zu einer zen­tra­len Kate­go­rie für die theo­re­ti­sche Fun­die­rung und prak­ti­sche Anwen­dung kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­ver Entscheidungen.


Literatur

Bour­dieu, P. (1993). Sozia­ler Sinn. Kri­tik der theo­re­ti­schen Ver­nunft. Frank­furt a.M.: Suhr­kamp.
Ent­man, R. M. (1993). Framing: Toward Cla­ri­fi­ca­ti­on of a Frac­tu­red Para­digm. Jour­nal of Com­mu­ni­ca­ti­on, 43(4), 51–58.
Goff­man, E. (1974). Frame Ana­ly­sis. An Essay on the Orga­nizati­on of Expe­ri­ence. New York: Har­per & Row.
Kepp­lin­ger, H. M. (2008). Medi­en und Skan­da­le. Wies­ba­den: VS Ver­lag.
Luh­mann, N. (1996). Die Rea­li­tät der Mas­sen­me­di­en. Opla­den: West­deut­scher Verlag