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tabae­ris, 22. Dezem­ber 2025

Kate­go­rie: nor­ma­tiv: Ver­ant­wor­tungs­ab­gren­zung / Schuld­zu­schrei­bung
Stra­te­gie­typ: Defen­siv-stra­te­gi­sche Ent­la­stung
Ziel­rich­tung: Exter­ne Öffent­lich­keit / Medi­en / Stake­hol­der-Publics
Pri­mä­res Ziel: Schutz der orga­ni­sa­tio­na­len Iden­ti­tät durch par­ti­el­le Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me
Risi­ko­in­dex: Mit­tel bis hoch (abhän­gig von Plau­si­bi­li­tät und inter­ner Reaktion)


Einleitung

Die­se Stra­te­gie zielt dar­auf, in einer Kri­sen­si­tua­ti­on die Ver­ant­wor­tung für das Fehl­er­eig­nis auf ein­zel­ne Per­so­nen oder Orga­ne inner­halb der eige­nen Orga­ni­sa­ti­on zu über­tra­gen. Dadurch wird die Gesamt­or­ga­ni­sa­ti­on als grund­sätz­lich inte­ger und lern­fä­hig dar­ge­stellt, wäh­rend das Kri­sen­er­eig­nis als Fol­ge indi­vi­du­el­ler oder loka­ler Fehl­ent­schei­dun­gen inter­pre­tiert wird.
Typi­scher­wei­se wird die­se Stra­te­gie kom­mu­ni­ka­tiv mit For­mu­lie­run­gen wie „Das Ver­hal­ten ein­zel­ner Mit­ar­bei­ten­der ent­spricht nicht unse­ren Wer­ten“ oder „Wir haben sofort per­so­nel­le Kon­se­quen­zen gezo­gen“ umge­setzt.
Das zen­tra­le kom­mu­ni­ka­ti­ve Ziel besteht dar­in, die Orga­ni­sa­ti­on von der direk­ten Schuld zu ent­la­sten, ohne voll­stän­di­ge Leug­nung der Ver­ant­wor­tung. Gleich­zei­tig soll die Hand­lungs­fä­hig­keit der Orga­ni­sa­ti­on betont und Ver­trau­en in ihre Wer­te und Steue­rungs­me­cha­nis­men erhal­ten bleiben.

Typi­sche Bei­spie­le: Costa Con­cor­dia; VW — Dieselgate 


Geeignete Situation

Die­se Stra­te­gie ist ins­be­son­de­re dann geeig­net, wenn:

  • der Kri­sen­aus­lö­ser klar iden­ti­fi­zier­ba­ren Per­so­nen oder Gre­mi­en zuge­schrie­ben wer­den kann;
  • die Öffent­lich­keit zwi­schen indi­vi­du­el­ler und orga­ni­sa­tio­na­ler Ver­ant­wor­tung unter­schei­den kann;
  • glaub­wür­di­ge inter­ne Maß­nah­men (z. B. Sus­pen­die­run­gen, Rück­trit­te, Ent­las­sun­gen) umge­setzt werden;
  • die Orga­ni­sa­ti­on trans­pa­ren­te Auf­klä­rung ver­spricht oder einleitet.

Sie ist weni­ger geeig­net, wenn die Kri­se struk­tu­rel­le, kul­tu­rel­le oder syste­mi­sche Ursa­chen hat oder die ober­ste Lei­tung unmit­tel­bar invol­viert ist. In sol­chen Fäl­len kann der Ver­such der Schuldex­ter­na­li­sie­rung nach innen gerich­tet (z. B. „Sün­den­bock­kom­mu­ni­ka­ti­on“) wir­ken und die Legi­ti­mi­tät der Orga­ni­sa­ti­on wei­ter unterminieren.


Chancen und Gefahren

Chan­cen:

  • Schutz der Repu­ta­ti­on und der orga­ni­sa­tio­na­len Iden­ti­tät durch Ein­gren­zung der Verantwortung.
  • Mög­lich­keit, Hand­lungs­fä­hig­keit und Lern­be­reit­schaft zu demonstrieren.
  • Kurz­fri­sti­ge Sta­bi­li­sie­rung des Ver­trau­ens bei exter­nen Stakeholdern.

Gefah­ren:

  • Wahr­neh­mung als Flucht vor struk­tu­rel­ler Ver­ant­wor­tung oder Ver­such, „Sün­den­böcke“ zu produzieren.
  • Inter­ne Demo­ra­li­sie­rung und Ver­trau­ens­ver­lust bei Mit­ar­bei­ten­den, wenn Maß­nah­men als unge­recht emp­fun­den werden.
  • Wider­spruchs­ri­si­ko, falls die beschul­dig­ten Per­so­nen öffent­lich reagie­ren oder Infor­ma­tio­nen leaken.
  • Lang­fri­sti­ge Glaub­wür­dig­keits­ver­lu­ste, wenn wie­der­holt auf die­se Stra­te­gie zurück­ge­grif­fen wird, ohne erkenn­ba­re Reformen.

Empfehlung

Die Stra­te­gie kann kurz­fri­stig repu­ta­ti­ons­schüt­zend wir­ken, sofern sie durch kon­se­quen­te, trans­pa­ren­te und glaub­wür­di­ge Maß­nah­men beglei­tet wird. Sie soll­te nie­mals iso­liert ein­ge­setzt wer­den, son­dern vor­zugs­wei­se in Kom­bi­na­ti­on mit:

  • der Stra­te­gie „Ver­ant­wor­tung über­neh­men und Kon­se­quen­zen zie­hen“, um mora­li­sche Inte­gri­tät zu signalisieren,
  • einer Trans­pa­renz- und Auf­klä­rungs­stra­te­gie, um struk­tu­rel­les Ler­nen sicht­bar zu machen,
  • einer emo­tio­nal anschluss­fä­hi­gen Kom­mu­ni­ka­ti­on (z. B. Aus­druck von Bedau­ern, Empa­thie oder Ent­schul­di­gung gegen­über Betroffenen).

Wird sie hin­ge­gen als blo­ße Schuld­ver­schie­bung wahr­ge­nom­men, kann sie das Ver­trau­en in die Orga­ni­sa­ti­on nach­hal­tig unter­gra­ben. Ihre Anwen­dung soll­te daher nur erfol­gen, wenn die indi­vi­du­el­le Ver­ant­wor­tungs­zu­schrei­bung nach­weis­lich plau­si­bel und struk­tu­rell begrenzt ist.