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tabae­ris, 22. Okto­ber 2025

Kate­go­rie: kon­text­be­zo­gen
Stra­te­gie­typ: offen­siv und defen­siv
Ziel­rich­tung: extern

Die Stra­te­gie zielt dar­auf ab, die Ver­läss­lich­keit, Objek­ti­vi­tät oder Lau­ter­keit von Akteu­ren infra­ge zu stel­len, die im Kri­sen­dis­kurs als glaub­wür­di­ge Infor­ma­ti­ons­quel­len oder mora­li­sche Instan­zen auf­tre­ten. Dazu gehö­ren etwa Augen­zeu­gen, Medi­en, Exper­ten, NGOs oder poli­ti­sche Geg­ner. Durch selek­ti­ve Kri­tik, Kon­tex­tua­li­sie­rung oder direk­te Dis­kre­di­tie­rung die­ser Quel­len ver­sucht die Orga­ni­sa­ti­on, den Deu­tungs­rah­men der Kri­se zu ver­schie­ben: weg von der eige­nen Ver­ant­wort­lich­keit hin zu Zwei­feln an der Wahr­haf­tig­keit oder Kom­pe­tenz ande­rer Stim­men.
Die­se Stra­te­gie gehört zu den kon­text­be­zo­ge­nen Bot­schafts­stra­te­gien, da sie auf die kom­mu­ni­ka­ti­ve Umwelt der Kri­se – also auf den Dis­kurs­rah­men und sei­ne Akteu­re – abzielt, nicht auf die Kri­sen­ur­sa­che oder die betrof­fe­ne Orga­ni­sa­ti­on selbst.


Geeignete Situation

Der Ein­satz die­ser Stra­te­gie bie­tet sich an, wenn

  • die Kri­sen­be­richt­erstat­tung oder öffent­li­che Dis­kus­si­on stark durch Drit­te geprägt ist (z. B. inve­sti­ga­ti­ve Medi­en, poli­ti­sche Geg­ner, Akti­vi­sten, Whistleblower),
  • die Orga­ni­sa­ti­on über über­prüf­ba­re Gegen­in­for­ma­tio­nen ver­fügt, die Zwei­fel an den Quel­len rechtfertigen,
  • das öffent­li­che Ver­trau­en in die Infor­ma­ti­ons­me­di­en bereits fra­gil oder pola­ri­siert ist,
  • oder wenn repu­ta­ti­ons­schwa­che Akteu­re (z. B. anony­me Online-Accounts, kom­mer­zi­ell moti­vier­te Zeu­gen) maß­geb­lich zur Kri­sen­in­ter­pre­ta­ti­on beitragen.

In sol­chen Fäl­len kann die Stra­te­gie hel­fen, die Wahr­neh­mung von Objek­ti­vi­tät und Fak­ti­zi­tät im Kri­sen­dis­kurs zu ver­schie­ben und die Deu­tungs­ho­heit zurückzugewinnen.


Chancen und Gefahren

Chan­cen:

  • Kurz­fri­sti­ge Sta­bi­li­sie­rung der eige­nen Glaub­wür­dig­keit, wenn der Zwei­fel an der Gegen­sei­te als berech­tigt wahr­ge­nom­men wird.
  • The­ma­ti­sche Rezen­trie­rung: Die Dis­kus­si­on ver­la­gert sich von der Orga­ni­sa­ti­ons­ver­ant­wor­tung auf Fra­gen der Infor­ma­ti­ons­qua­li­tät („Wer hat Recht?“ statt „Wer ist schuld?“).
  • Mög­lich­keit, Ver­zer­run­gen, Vor­ur­tei­le oder Sen­sa­ti­ons­me­cha­nis­men in der Bericht­erstat­tung sicht­bar zu machen.

Gefah­ren:

  • Rück­schlag­ri­si­ko (Back­fi­re-Effekt): Der Ver­such, Medi­en oder Zeu­gen zu dis­kre­di­tie­ren, kann als Angriff auf Pres­se­frei­heit, Trans­pa­renz oder Opfer wahr­ge­nom­men werden.
  • Repu­ta­ti­ons­scha­den durch Arro­ganz- oder Mani­pu­la­ti­ons­vor­wurf, ins­be­son­de­re bei mäch­ti­gen oder staats­na­hen Organisationen.
  • Ver­stär­kung pola­ri­sier­ter Dis­kur­se; poten­zi­el­ler Ver­lust von Ver­trau­en bei neu­tra­len Stake­hol­dern.
  • Ethik- und Legi­ti­ma­ti­ons­ri­si­ken: Wenn die Kri­tik nicht auf über­prüf­ba­ren Fak­ten beruht, son­dern sug­ge­stiv ein­ge­setzt wird, kann dies lang­fri­stig das Ver­trau­en in die Orga­ni­sa­ti­on zerstören.

Empfehlung

Die Stra­te­gie soll­te nur defen­siv und fak­ten­ba­siert ein­ge­setzt wer­den – also nicht als Angriff, son­dern als Prä­zi­sie­rung oder Kon­tex­tua­li­sie­rung der geg­ne­ri­schen Aus­sa­gen.
Emp­foh­len ist eine zwei­stu­fi­ge Umset­zung:

  1. Beleg­ba­re Dif­fe­ren­zie­rung („Die Behaup­tung basiert auf einer unvoll­stän­di­gen Quelle“),
  2. Ver­weis auf über­prüf­ba­re Gegen­in­for­ma­tio­nen („Unse­re Daten wur­den von unab­hän­gi­gen Exper­ten bestätigt“).

Sie eig­net sich beson­ders in Infor­ma­ti­ons- oder Repu­ta­ti­ons­kon­tex­ten, in denen Zwei­fel an der jour­na­li­sti­schen oder zivil­ge­sell­schaft­li­chen Objek­ti­vi­tät bereits bestehen.
Ein pro­fes­sio­nel­ler, sach­li­cher Ton ist zwin­gend. Per­so­na­li­sier­te Angrif­fe oder pau­scha­le Medi­en­kri­tik sind zu ver­mei­den, da sie kon­tra­pro­duk­tiv wirken.