17. September 2021
Psychologen und Philosophen streiten seit Jahrhunderten über die genaue Bedeutung des Begriffs Emotionen (Gefühle). Daniel Goleman (2020, S. 363) versteht darunter ein “Gefühl mit dem ihm eigenen Gedanken, psychologischen und biologischen Zuständen sowie den ihm entsprechenden Handlungsbereitschaften.” Verwandte Begriffe, sind Stimmungen und Temperamente (Golemann, 2020, S. 365).
SRF (Einstein): Gefühle
Man kennt Hunderte von Emotionen, die sich in Grundfamilien ordnen lassen. Wir orientieren uns hier am Rad von Robert Plutchik (siehe auch: Krisenmerkmale; mit Emotionen behaftet; Analyse von Emotionen). Dieses ordnet die Vielzahl von Gefühlen den folgenden acht Hauptemotionen zu:
- Sich schützen – Furcht
- Zerstören — Ärger
- Sich fortpflanzen — Freude
- Reintegrieren — Traurigkeit
- Einverleiben, Akzeptieren — Vertrauen
- Zurückweisen — Ekel
- Erkunden — Erwarten
- Sich orientieren — Überraschung
Alternativ kann das speziell für Krisen/Probleme entworfene Modell (Baeriswyl, 2023) zur Systematisierung verwendet werden:

Emotionen spielen in Krisen in dreierlei Hinsicht eine zentrale Rolle:
- Aus der Sicht des Managements betrifft dies die Reaktionsstrategien und das Verhalten von Managern:
a) Entscheide in Krisen werden in Situationen von Ungewissheit und unter Zeitdruck gefällt. Emotionen wie Angst und Panik verdrängen rationales Denken und Urteilen. Dies erfordert vom Krisenmanagement als verantwortliche Entscheidungsinstanz schnelles Denken (nach Kahneman, 2011) respektive Intuition (gesundes Bauchgefühl), die Goleman (2020) der emotionalen Intelligenz zuordnet.
b) Emotionale Intelligenz ist ebenfalls Voraussetzung, um erfolgreich gegenüber den Medien aufzutreten (siehe Auftritt) und mit Anspruchsgruppen zu diskutieren: Emotionen äussern sich in der Mimik und Gestik und beeinflussen damit den Verlauf eines Gesprächs wie auch den Gesprächspartner meist unbewusst (Theorie der Spiegelneuronen, neurologische Forschungen). - Auf der medialen Kommunikationsebene sind Emotionalisierungen Krisenbausteine und Krisentreiber. Sie werden beispielsweise mit der Wahl emotiver Informationen (emotive siehe Nachrichtenfaktoren; Nachrichtenwerte) und der Technik des Framings bewusst instrumentalisiert, um zu skandalisieren, zu dramatisieren oder um Konflikte zu verstärken (siehe Krisenverlaufskarte).
- Gefühle spielen auf der Ebene der öffentlichen Wahrnehmung und Meinungsbildung (siehe Krisenverlaufskarte) eine zentrale Rolle, wie das Schema unten zeigt. Denn Informationen über Probleme (Missstände) werden in der Öffentlichkeit nicht einfach rational “verdaut”, sondern schüren Emotionen wie Ärger, Trauer, Frustration, Angst oder Hass, wenn etwa Bedürfnisse und Erwartungen nicht erfüllt werden. Diese offenbaren sich heute in sozialen Netzwerken als “Hass im Netz” oder in Shitstorms. In diesem Sinne bestimmen Emotionen als Krisentreiber die Art und den Verlauf einer Krise.
Emotive Wahrnehmung nach Jin et al.
Jin et al. (2007) haben einen theoretischen Rahmen entwickelt, um die Reaktionen der primären Öffentlichkeit auf Krisen zu verstehen, wie sie durch die vorherrschenden Emotionen, die durch verschiedene Arten von Krisen hervorgerufen werden, belegt werden. Vier negative Emotionen (Wut, Schrecken, Angst und Traurigkeit) werden als dominierende Emotionen identifiziert, die von der Öffentlichkeit in Krisensituationen am wahrscheinlichsten erlebt werden.” (Jin et al., 2007)

Quelle: Jin et al. (2004).
Emotionen und emotive Einstellungskomponenten
Emotionen und emotionale Einstellungen sind eng miteinander verbunden, aber sie unterscheiden sich in ihrer Natur und Bedeutung.
Emotionen sind kurzfristige, intensive Gefühlszustände, die in Reaktion auf bestimmte Ereignisse oder Reize auftreten können. Emotionen sind oft vorübergehend und können sich schnell ändern. Beispiele für Emotionen sind Freude, Wut, Angst, Trauer und Überraschung. Emotionen sind in der Regel stark körperlich erlebbar und können sich in Gesichtsausdrücken, Körpersprache und physiologischen Reaktionen wie Herzschlag oder Schweißbildung zeigen.
Emotionale Einstellungen hingegen sind stabile, länger anhaltende Haltungen oder Bewertungen, die eine Person gegenüber bestimmten Themen, Objekten oder Personen hat. Diese Einstellungen sind weniger intensiv als Emotionen und neigen dazu, über die Zeit hinweg konsistenter zu sein. Beispiele für emotionale Einstellungen sind Vorlieben, Abneigungen, Sympathien und Antipathien. Emotionale Einstellungen basieren oft auf früheren Erfahrungen und beeinflussen das Verhalten einer Person gegenüber bestimmten Dingen.
Zusammengefasst sind Emotionen vorübergehende, intensive Gefühlszustände, während emotionale Einstellungen langfristige, stabile Bewertungen und Haltungen repräsentieren. Beide spielen jedoch eine wichtige Rolle in der menschlichen Psychologie und beeinflussen unser Verhalten und unsere Entscheidungen.
Emotionen, Sinnestäuschungen und Verschwörungstheorien
Unser Bewusstsein wird nicht allein von der Ratio geleitet. ”
“Gemeinhin hegen viele Menschen die Vorstellung, unsere Hirnzellen funktionierten unbestechlich wie ein Computer. Doch das ist ein Trugschluss. Denn das Gehirn ist kein neutrales, unabhängiges oder unbestechliches Organ oder Instrument. Es wird geprägt von unseren Erfahrungen, unseren Erlebnissen, unseren Sehnsüchten, Hoffnungen und Wünschen. Aber auch ganz speziell von unseren Ängsten. Also zu einem beträchtlichen Teil von unseren Emotionen. Diese bestimmen über weite Strecken unser Denken, Handeln und Fühlen. Man kann es auch auf den kurzen Nenner bringen: Sie prägen hauptsächlich unser Leben.
Unser Gehirn arbeitet also selektiv und liefert subjektive Resultate. Deshalb täten wir oft gut daran, ihm zu misstrauen und die Resultate zu hinterfragen. Denn es findet meist, was wir suchen. Das sind oft keine rationalen Entscheide, denn die Vernunft ist nur einer unter vielen Aspekten, die Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben.”
“Unser Denken ist nicht selten das Resultat von Sinnestäuschungen, Wahrnehmungsverschiebungen und Realitätsverlust.
Die Fehlleistungen unseres Gehirns führen nur allzu oft zu einem verschobenen Weltbild und zu radikalen politischen Fehleinschätzungen. Sie sind nicht selten das Resultat von Sinnestäuschungen, Wahrnehmungsverschiebungen und Realitätsverlust.” (Watson, 29.10.2022)
Der Aufbau des Gehirns kurz erklärt:
Quellen:
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- Plutchik, R. (1958). Outlines of a new theorie of emotion. Transactions of the New York Academy of Scienes, 20, 394–403
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- Plutchik, R. (1962). The emotions: Facts, theories and a new model. New York: Random House.
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- Plutchik, R. ( 1980a). Emotion. A psychoevolutionary synthesis. New York: Hrarper& Row.
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- Plutchik, R. ( 1980b). A general psychoevoltionary theorie. In R. Pluchik & H. Kellermann (Eds.), Emotion : Theorie, research and experience (Vol. 1, pp. 3–33). New York : Academic Press Plutchik, R. (1984). Emotions: A generarl psychoevolutionary theory. In K. R. Scherer& P. Ekman (Eds.), Approaches to emotion (pp. 197–219). Hildsale, Nj: Erlbaum Plutchik, R. ( 1991a). The emotions (Rev. ed.). Lanham, MD: University Press of America.
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- Plutchik, R. (1993). Emotions an their vissitudes: Emotions and psychopathology. In M. Lewis & J. M. Haviland (Eds.), Handbook of emotions (pp. 53–66). New York: Guilford Press.
- Plutchik, R. (1994). The psychology and biologyof emotion. New York: HarperCollins College Publishers.