A B C D E F G H I J K L M N Ö P R S T U V W Z
An At Au

Der Anker­ef­fekt ist ein kogni­ti­ver Bias, bei dem Men­schen stark von der ersten Infor­ma­ti­on oder auch Umge­bungs­in­for­ma­ti­on, die sie erhal­ten (dem “Anker”), beein­flusst wer­den. Die­se anfäng­li­che Infor­ma­ti­on beein­flusst nach­fol­gen­de Urtei­le und Ent­schei­dun­gen, auch wenn sie irrele­vant oder zufäl­lig ist.

Erst­ma­lig bewie­sen wur­de der Anker­ef­fekt von den Psy­cho­lo­gen Dani­el Kah­ne­man und Arnos Tversky. In zahl­rei­chen Stu­di­en und Expe­ri­men­ten zeig­ten sie, dass ein will­kür­lich gesetz­ter Anker eine Per­son in ihrem Ent­schei­dungs­pro­zess deut­lich beein­flus­sen kann. Der Anker­ef­fekt erscheint in ihren Stu­di­en als ein sehr wider­stands­fä­hi­ges Phä­no­men. Die Situa­tio­nen, in denen die bei­den Psy­cho­lo­gen unter­sucht haben, waren aus­ser­dem so unter­schied­lich, dass sich mit Sicher­heit
fest­stel­len liess, dass der Anker­ef­fekt in allen mög­li­chen Situa­tio­nen auf­tre­ten kann. 

Eine der bekann­te­sten Stu­di­en von Kah­ne­man und Tversky wur­de mit­hil­fe eines Glücks­ra­des durch­ge­führt. Die Pro­ban­den dreh­ten zuerst an einem Glücks­rad, das Zah­len zwi­schen 0 und 100 zeig­te. Das Rad war zuvor aller­dings so mani­pu­liert wor­den, dass es stets ent­we­der auf der 65 oder auf der 10 lan­de­te. Die­se Zah­len soll­ten als Anker fun­gie­ren. Anschlies­send wur­den den Pro­ban­den zwei Fra­gen zur Schät­zung des Pro­zent­sat­zes der afri­ka­ni­schen UNO-Mit­glied­staa­ten gestellt:
Liegt der geschätz­te Pro­zent­satz über oder unter der gera­de am Glücks­rad gedreh­ten Zahl?

Eine genaue Schät­zung dar­über, wie vie­le UNO Mit­glie­der tat­säch­lich afri­ka­ni­sche Län­der sind, abge­ben. Sofort wur­de sicht­bar, dass der am Glücks­rad ver­ge­be­ne Anker das Ergeb­nis der Schät­zun­gen deut­lich beein­fluss­te. Wer eine hohe Zahl als Anker erhal­ten hat­te, schätz­te den Pro­zent­satz eben­falls höher ein. Der Mit­tel­wert
der­je­ni­gen Pro­ban­den, die als Anker 65 bekom­men hat­ten, lag bei gan­zen 45 Pro­zent. Hin­ge­gen befand sich der Mit­tel­wert der Schät­zun­gen all der
Pro­ban­den, die als Anker nur eine 10 beka­men, bei deut­lich klei­ne­ren 25 Pro­zent. Dabei hat­te die auf dem Glücks­rad gedreh­te Zahl kei­ner­lei rele­van­ten
Wert für die Schät­zung. Die Pro­ban­den waren sich des Anker­ef­fek­tes natür­lich nicht bewusst.

    Im Zusam­men­hang mit Kri­sen kann der Anker­ef­fekt fol­gen­de Aus­wir­kun­gen haben:

    1. Initia­le Bericht­erstat­tung: Die erste Mel­dung über eine Kri­se kann die öffent­li­che Wahr­neh­mung stark beein­flus­sen. Wenn die erste Infor­ma­ti­on über­trie­ben, unge­nau oder unvoll­stän­dig ist, kann dies die spä­te­re Wahr­neh­mung und Inter­pre­ta­ti­on der Kri­se verzerren.
    2. Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on: Orga­ni­sa­tio­nen müs­sen die erste Kom­mu­ni­ka­ti­on über eine Kri­se sorg­fäl­tig pla­nen, da die­se als Anker dient. Eine unge­naue oder miss­ver­ständ­li­che erste Bot­schaft kann zu Miss­trau­en und Panik füh­ren, selbst wenn spä­te­re Infor­ma­tio­nen kor­rek­ter und beru­hi­gen­der sind.
    3. Ent­schei­dungs­fin­dung: In einer Kri­se nei­gen Ent­schei­dungs­trä­ger dazu, sich an den ersten ver­füg­ba­ren Infor­ma­tio­nen oder Vor­schlä­gen zu ori­en­tie­ren. Dies kann dazu füh­ren, dass sub­op­ti­ma­le oder vor­ei­li­ge Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den, wenn der Anker nicht kri­tisch hin­ter­fragt wird.
    4. Öffent­li­che Reak­tio­nen: Die Reak­tio­nen der Öffent­lich­keit auf eine Kri­se kön­nen stark vom ersten Ein­druck geprägt sein. Wenn der erste Ein­druck nega­tiv ist, kann es schwie­rig sein, die öffent­li­che Mei­nung zu ändern, selbst wenn sich die Situa­ti­on ver­bes­sert oder neue Infor­ma­tio­nen ver­füg­bar werden.

    Um den Anker­ef­fekt in Kri­sen­si­tua­tio­nen zu mil­dern, ist es wich­tig, dass:

    • Sorg­fäl­ti­ge Vor­be­rei­tung: Kom­mu­ni­ka­ti­ons­plä­ne vor­be­rei­tet wer­den, die kla­re, genaue und zeit­na­he Infor­ma­tio­nen liefern.
    • Kor­rek­te und voll­stän­di­ge Infor­ma­tio­nen: Von Anfang an genaue und voll­stän­di­ge Infor­ma­tio­nen bereit­ge­stellt wer­den, um Miss­ver­ständ­nis­se zu vermeiden.
    • Trans­pa­renz und Offen­heit: Kon­ti­nu­ier­lich trans­pa­rent und offen kom­mu­ni­ziert wird, um Ver­trau­en zu schaf­fen und den Anker­ef­fekt zu reduzieren.
    • Kri­ti­sches Den­ken: Ent­schei­dungs­trä­ger geschult wer­den, um den Anker­ef­fekt zu erken­nen und zu ver­mei­den, indem sie alle ver­füg­ba­ren Infor­ma­tio­nen kri­tisch bewerten.