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Die “Com­ple­xi­ty Theo­ry” in der Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on ist ein Ansatz, der die Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on als Teil eines kom­ple­xen, inter­ak­ti­ven und oft unvor­her­seh­ba­ren Systems ver­steht. Die­se Theo­rie betrach­tet Kri­sen nicht als iso­lier­te Ereig­nis­se, die ein­fach zu steu­ern oder vor­her­zu­sa­gen sind, son­dern als dyna­mi­sche Situa­tio­nen, die durch eine Viel­zahl von Fak­to­ren beein­flusst wer­den, die mit­ein­an­der inter­agie­ren und oft schwer vor­her­seh­ba­re Ergeb­nis­se erzeugen.

Eini­ge der Schlüs­sel­aspek­te der “Com­ple­xi­ty Theo­ry” in der Kri­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on sind:

  1. Inter­kon­nek­ti­vi­tät und Wech­sel­wir­kun­gen: Kri­sen ent­ste­hen und ent­wickeln sich in einem Netz­werk von Inter­ak­tio­nen und Bezie­hun­gen. Die Hand­lun­gen eines Akteurs kön­nen weit­rei­chen­de und oft uner­war­te­te Aus­wir­kun­gen auf ande­re haben.
  2. Anpas­sungs­fä­hig­keit: Auf­grund der Dyna­mik und Unvor­her­seh­bar­keit von Kri­sen müs­sen Orga­ni­sa­tio­nen anpas­sungs­fä­hig und fle­xi­bel in ihrer Reak­ti­on sein. Star­re Plä­ne und Vor­ge­hens­wei­sen sind oft nicht effektiv.
  3. Emer­genz: In kom­ple­xen Syste­men kön­nen neue Eigen­schaf­ten und Muster emer­gie­ren, die nicht ein­fach aus den Eigen­schaf­ten der ein­zel­nen System­ele­men­te abzu­lei­ten sind. Kri­sen kön­nen uner­war­te­te Wen­dun­gen neh­men, die schwer vor­her­zu­sa­gen sind.
  4. Nicht­li­nea­ri­tät: Die Aus­wir­kun­gen von Aktio­nen sind in einem kom­ple­xen System oft nicht pro­por­tio­nal zu ihren Ursa­chen. Klei­ne Ursa­chen kön­nen gro­ße Aus­wir­kun­gen haben und umgekehrt.
  5. Syste­mi­sches Den­ken: Die “Com­ple­xi­ty Theo­ry” for­dert dazu auf, Kri­sen aus einer syste­mi­schen Per­spek­ti­ve zu betrach­ten, die alle rele­van­ten Fak­to­ren, Akteu­re und Bezie­hun­gen berücksichtigt.
  6. Feed­back-Schlei­fen: In kom­ple­xen Syste­men gibt es häu­fig Feed­back-Schlei­fen, bei denen die Ergeb­nis­se von Aktio­nen wie­der in das System ein­ge­speist wer­den und wei­te­re Aktio­nen beeinflussen.

Anwen­dung der Kom­ple­xi­täts­theo­rie auf Krisenstrategien

  1. Kri­sen als kom­ple­xe Syste­me begrei­fen:
    • Kri­sen sind nicht iso­lier­te Ereig­nis­se, son­dern inter­ak­ti­ve Pro­zes­se, die durch das Zusam­men­spiel von Akteu­ren (Unter­neh­men, Medi­en, Stake­hol­dern) und deren Hand­lun­gen geprägt werden.
    • Unter­neh­men müs­sen erken­nen, dass sie ein Teil des Systems sind und ihre Stra­te­gien ent­spre­chend anpassen.
  2. Agi­li­tät und Fle­xi­bi­li­tät in der Reak­ti­on:
    • Auf­grund der Unvor­her­seh­bar­keit und Dyna­mik kom­ple­xer Syste­me ist eine sta­ti­sche Kri­sen­stra­te­gie oft ineffektiv.
    • Unter­neh­men soll­ten agi­le Stra­te­gien anwen­den, die sich schnell an ver­än­der­te Bedin­gun­gen anpas­sen las­sen, z. B. durch ite­ra­ti­ve Ent­schei­dungs­pro­zes­se und kon­ti­nu­ier­li­ches Monitoring.
  3. Dezen­tra­li­sie­rung und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on för­dern:
    • In Kri­sen­si­tua­tio­nen soll­ten Unter­neh­men die Dezen­tra­li­sie­rung von Ent­schei­dun­gen för­dern, um schnel­ler und loka­li­sier­ter auf Ereig­nis­se zu reagieren.
    • Bei­spiel: Empower­ment von loka­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Teams oder Füh­rungs­kräf­ten vor Ort.
  4. Sze­na­ri­en­ent­wick­lung und Resi­li­enz:
    • Unter­neh­men soll­ten Kri­sen­sze­na­ri­en ent­wickeln, um mög­li­che Ent­wick­lun­gen vor­weg­zu­neh­men, ohne sich auf linea­re Ursa­che-Wir­kungs-Zusam­men­hän­ge zu verlassen.
    • Resi­li­en­z­stra­te­gien soll­ten dar­auf abzie­len, die Orga­ni­sa­ti­on wider­stands­fä­hi­ger gegen uner­war­te­te Ent­wick­lun­gen zu machen.
  5. Stake­hol­der-Dyna­mi­ken ver­ste­hen:
    • Die Reak­tio­nen von Stake­hol­dern sind oft nicht vor­her­seh­bar und kön­nen neue Dyna­mi­ken aus­lö­sen (z. B. ein klei­ner Social-Media-Shits­torm eska­liert durch vira­le Verbreitung).
    • Unter­neh­men müs­sen die Ver­net­zung und Inter­ak­ti­on von Stake­hol­dern in Kri­sen­si­tua­tio­nen berück­sich­ti­gen und aktiv in den Dia­log treten.
  6. Kom­mu­ni­ka­ti­on als sta­bi­li­sie­ren­des Ele­ment nut­zen:
    • In kom­ple­xen Syste­men kann Kom­mu­ni­ka­ti­on dazu bei­tra­gen, Unsi­cher­heit zu redu­zie­ren und Sta­bi­li­tät zu fördern.
    • Unter­neh­men soll­ten kon­si­sten­te, trans­pa­ren­te und kon­ti­nu­ier­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gien anwen­den, um Ver­trau­en und Ori­en­tie­rung zu schaffen.

Beispiele für Krisenstrategien basierend auf der Komplexitätstheorie

  1. Netz­werk­ba­sier­te Kom­mu­ni­ka­ti­on:
    • Statt zen­tra­li­sier­ter, hier­ar­chi­scher Bot­schaf­ten nut­zen Unter­neh­men dezen­tra­le Netz­wer­ke, um Stake­hol­der direkt anzusprechen.
    • Bei­spiel: Koor­di­na­ti­on von Bot­schaf­ten in Echt­zeit über sozia­le Medi­en.
  2. Ite­ra­ti­ve Ent­schei­dungs­pro­zes­se:
    • Unter­neh­men tref­fen Ent­schei­dun­gen auf Basis von Zwi­schen­stän­den und pas­sen ihre Stra­te­gien lau­fend an neue Infor­ma­tio­nen an.
    • Bei­spiel: Die Anpas­sung der Kri­sen­stra­te­gie eines Unter­neh­mens an neue Ent­wick­lun­gen in einem Shits­torm.
  3. Mul­ti­di­men­sio­na­le Kri­sen­ana­ly­se:
    • Unter­neh­men berück­sich­ti­gen ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven und Ebe­nen der Kri­se, z. B. öko­no­mi­sche, sozia­le, kul­tu­rel­le und tech­no­lo­gi­sche Faktoren.
    • Bei­spiel: Eine umfas­sen­de Ana­ly­se der Aus­wir­kun­gen eines Daten­lecks auf Kun­den, Regu­lie­rungs­be­hör­den und inter­ne Prozesse.

Kritik und Herausforderungen

  • Unvor­her­seh­bar­keit: Obwohl die Kom­ple­xi­täts­theo­rie Unter­neh­men hilft, mit Unsi­cher­hei­ten umzu­ge­hen, bleibt die tat­säch­li­che Ent­wick­lung oft nicht voll­stän­dig vorhersagbar.
  • Res­sour­cen­in­ten­siv: Fle­xi­bi­li­tät und Resi­li­enz erfor­dern Inve­sti­tio­nen in Moni­to­ring, Ana­ly­se und Schu­lung von Mitarbeitern.
  • Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ri­si­ken: Eine zu dezen­tra­li­sier­te Kom­mu­ni­ka­ti­on kann wider­sprüch­li­che Bot­schaf­ten erzeu­gen und die Glaub­wür­dig­keit gefährden.

Fazit

Die Kom­ple­xi­täts­theo­rie bie­tet einen wert­vol­len Rah­men, um die Dyna­mik und Unvor­her­seh­bar­keit von Kri­sen zu ver­ste­hen. Sie for­dert Unter­neh­men auf, agil, dezen­tral und resi­li­ent zu agie­ren, wäh­rend sie gleich­zei­tig auf trans­pa­ren­te Kom­mu­ni­ka­ti­on und kon­ti­nu­ier­li­che Anpas­sung set­zen. Stra­te­gien, die auf die­sen Prin­zi­pi­en basie­ren, sind bes­ser geeig­net, die Her­aus­for­de­run­gen moder­ner Kri­sen zu bewältigen.

Quel­le, Coombs, 2014, S. 21–23; ChatGPT 4.0.