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Iden­ti­fi­ka­ti­on bezeich­net den Pro­zess, in dem sich eine Per­son mit einer ande­ren Per­son, einer Grup­pe, einem Objekt oder einer Idee emo­tio­nal oder gedank­lich stark ver­bun­den fühlt. Die­ser Pro­zess kann bewusst oder unbe­wusst ablau­fen und ist ein grund­le­gen­des Kon­zept in ver­schie­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Dis­zi­pli­nen, ein­schliess­lich Psy­cho­lo­gie, Sozio­lo­gie und Lite­ra­tur­wis­sen­schaft. Iden­ti­fi­ka­ti­on kann auf ver­schie­de­ne Wei­sen stattfinden:

  1. Psy­cho­lo­gi­sche Iden­ti­fi­ka­ti­on: In der Psy­cho­lo­gie beschreibt Iden­ti­fi­ka­ti­on einen Mecha­nis­mus, bei dem ein Indi­vi­du­um bestimm­te Aspek­te einer ande­ren Per­son oder Grup­pe in das eige­ne Selbst­bild über­nimmt. Dies kann Teil der Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung sein, wie es bei der Iden­ti­fi­ka­ti­on von Kin­dern mit ihren Eltern oder ande­ren Bezugs­per­so­nen der Fall ist.
  2. Sozia­le Iden­ti­fi­ka­ti­on: In der Sozio­lo­gie bezieht sich Iden­ti­fi­ka­ti­on auf das Gefühl der Zuge­hö­rig­keit zu einer bestimm­ten sozia­len Grup­pe oder Gemein­schaft. Die­se Form der Iden­ti­fi­ka­ti­on ist wich­tig für das Ver­ständ­nis von Grup­pen­dy­na­mi­ken und sozia­ler Kohäsion.
  3. Kul­tu­rel­le Iden­ti­fi­ka­ti­on: Dies bezieht sich auf die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit bestimm­ten kul­tu­rel­len oder eth­ni­schen Grup­pen. Kul­tu­rel­le Iden­ti­fi­ka­ti­on prägt indi­vi­du­el­le Wer­te, Glau­bens­sy­ste­me und Ver­hal­tens­wei­sen und ist ein zen­tra­ler Aspekt der per­sön­li­chen Identität.
  4. Iden­ti­fi­ka­ti­on in der Lite­ra­tur und Kunst: Hier beschreibt Iden­ti­fi­ka­ti­on das Phä­no­men, bei dem sich Leserinnen oder Zuschau­erinnen mit Cha­rak­te­ren, Geschich­ten oder The­men auf eine Wei­se ver­bun­den füh­len, dass sie emo­tio­na­le Reak­tio­nen her­vor­ru­fen oder zum Nach­den­ken anregen.

Iden­ti­fi­ka­ti­on spielt eine Schlüs­sel­rol­le im Auf­bau von Empa­thie und im Ver­ständ­nis von ande­ren Per­spek­ti­ven. Sie ermög­licht es Indi­vi­du­en, über ihre per­sön­li­chen Erfah­run­gen hin­aus­zu­blicken und eine tie­fe­re Ver­bin­dung zu ande­ren Men­schen, Kul­tu­ren oder Ideen herzustellen.

Iden­ti­fi­ka­ti­on kann bewusst und unbe­wusst pas­sie­ren (Brown, 2021, S. 764). Eine bewuss­te Iden­ti­fi­ka­ti­on tritt auf, wenn ein Indi­vi­du­um aktiv und mit Absicht bestimm­te Eigen­schaf­ten, Wer­te, Über­zeu­gun­gen oder Ver­hal­tens­wei­sen einer ande­ren Per­son oder Grup­pe annimmt (Döring, 2013, S. 305–306; Brown, 2021, S. 764). Hin­ge­gen geschieht eine unbe­wuss­te Iden­ti­fi­ka­ti­on ohne direk­te Absicht (Brown, 2021, S. 764). Ein Bei­spiel für unbe­wuss­te Iden­ti­fi­ka­ti­on könn­te die Über­nah­me von Ver­hal­tens­wei­sen oder Ein­stel­lung des sozia­len Umfelds (Eltern, Freun­de, Kol­le­gen) sein, ohne dass man sich des­sen bewusst ist (Kel­man, 1961, S. 63; Brown, 2021, S. 292). Iden­ti­fi­ka­ti­on hat zwei Vor­aus­set­zun­gen: Kapa­zi­tät, Empa­thie zu emp­fin­den, bzw. Kapa­zi­tät, mit ande­ren Per­so­nen mit­zu­füh­len (Cohen & Klimmt, 2021, S. 269) und eine Real­selbst-Ide­al­selbst-Dis­kre­panz (Döring, 2013, S. 306).

Quel­len:

Brown, W. J. (2015). Exami­ning Four Pro­ces­ses of Audi­ence Invol­vement With Media Per­so­nae: Trans­por­ta­ti­on, Para­so­cial Inter­ac­tion, Iden­ti­fi­ca­ti­on, and Wor­ship: Exami­ning Four Pro­ces­ses of Audi­ence Invol­vement With Media Per­so­nae. Com­mu­ni­ca­ti­on Theo­ry25(3), 259–283. https://doi.org/10.1111/comt.12053

Brown, W, J. (2021). Iden­ti­fi­ca­ti­on. In J. W. D. Bulck (Hrsg.), The inter­na­tio­nal ency­clo­paed­ia of media psy­cho­lo­gy (S. 763–770). Wiley Blackwell.

Brown, W. J., (2021). Invol­vement with Media Per­so­nae and Enter­tain­ment Expé­ri­en­ces. In P. Vor­de­rer & C. Klimmt (Hrsg.), The Oxford Hand­book of Enter­tain­ment Theo­ry (S. 285–305). Oxford Uni­ver­si­ty Press. https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780190072216.001.0001

Döring, N. (2013). Wie Medi­en­per­so­nen Emo­tio­nen und Selbst­kon­zept der Medi­en­nut­zer beein­flus­sen; Empa­thie, sozia­ler Ver­gleich, para­so­zia­le Bezie­hung und Iden­ti­fi­ka­ti­on. In W. Schwei­ger & Fahr, A. (Hrsg.), Hand­buch Medi­en­wir­kungs­for­schung (S. 295–310). Sprin­ger. https://doi.org/10.1007/978–3‑531–18967-3_15

Cohen, J., & Klimmt, C. (2021). Step­ping In and Out of Media Cha­rac­ters : Iden­ti­fi­ca­ti­on and Dyna­mic Shifts in Users’ Posi­tio­ning Toward Enter­tain­ment Mes­sa­ges. In P. Vor­de­rer & C. Klimmt (Hrsg.), The Oxford Hand­book of Enter­tain­ment Theo­ry (S. 267–285). Oxford Uni­ver­si­ty Press. https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780190072216.001.0001

Kel­man, H. C. (1961). Pro­cess of opi­ni­on chan­ge. Public Opi­ni­on Quar­ter­ly, 25, 57–78.