11. Oktober 2021
Alle unternehmensinternen und ‑externen Gruppen, die von den Tätigkeiten des Unternehmens direkt oder indirekt betroffen sind (Bezugsgruppen) und Ansprüche an das Unternehmen geltend machen, respektive bestimmte Erwartungen vom Unternehmen, seinen Dienstleistungen und Produkten haben.
Zum Beispiel:
a) organisationsintern die Eigentümer, das Management oder die Mitarbeitenden,
b) organisationsextern unter anderem die Fremdkapitalgeber, die Lieferanten, die Gäste, die Mitbewerber, die Behörden oder generell die Bevölkerung. (Quelle: Wirtschaftslexikon Gabler)
Die Krisenverlaufskarte unterscheidet zwischen vier Arten von Anspruchsgruppen:
- politisch-rechtliche Instanzen (Richter, Behörden, politische Partei)
- von der Krise direkt (potenziell) betroffene Kreise (Mitarbeiter, Verunfallte, Betrogene)
- (potenzielle) Kundschaft
- Finanzwelt (Aktionäre, Sponsoren usw.)
Ansprüche (nach Wolf und Lintemeyer)
Neben der steigenden Anzahl an Stakeholdern nimmt auch die Professionalisierung der jeweiligen Stakeholder zu. Es zeichnet sich eine Entwicklung ab, in deren Verlauf sich die Ansprüche von Interessen und Anspruchsgruppen dynamisieren und professionalisieren. So identifizieren Wolf (2005) und Lintemeyer (2014, S. 59) sechs “strategische” Stakeholdergruppen und führen für diese die folgenden Ansprüche auf:
- (Institutionelle) Investoren: Rentabilität des Unternehmens (ROE); zum Portfolio passende Kapitalanlage; Einhaltung von Richtlinie und Standards; Equity Story
- Analysten/Ratingagenturen: Finanzielle Performance, Transparenz und Corporate Governance; Risiko-Management; fundierte, zeitnahe und verlässliche Informationspolitik
- Politik und Recht: Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen; Verteidigung nationaler und regionaler Standortinteressen; Langfristigkeit der Investitionspolitik; Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsplatzgarantien
- Kunden: stabile Geschäftsbeziehungen und Vertragstreue; besseres Preis-Leistungsverhältnis; direkte, persönliche Kommunikation; Einhaltung von Lieferverpflichtungen (Termintreue)
- Mitarbeiter: Sicherheit des Arbeitsplatzes; zeitnahe und offene Kommunikation; Handlungsoptionen und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens; neue Entwicklungsperspektiven
- Betriebsräte: betriebliche Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft; Interessenausgleich und Sozialplan; Integration in Diskussions- und Entscheidungsprozesse; autonome Kommunikation des Betriebsrates
Die Analyse von Anspruchsgruppen gehört (in der Regel zu den kontinuierlichen Aufgaben der Unternehmenskommunikation. Im Krisenmanagement ist die Stakeholderanalyse eine Aufgabe der Krisenprävention.
Ansprüche seitens der Rechtsvertreter
Wenn es in der Kommunikation im Kontext rechtlicher Ansprüche geht, spricht man von Litigation PR. Guido Keel und Vinzenz Wyss formulierten an der Litigation-PR-Tagung 2022 der zhaw (Institut für Angewandte Linguistik) am Beispiel der medialen Berichterstattungen über den Fall Ignaz Walker die folgenden Thesen zur Litigation-PR:
- Litigation PR ist zunächst ein Mittel des David gegen Goliath.
- In einem Prozess sind alle Parteien Teil der öffentlichen Verhandlung im Court of Public Opinion. Die mediale Berichterstattung gibt den Akteuren “narrative Rollen”.
- “Die Justiz” gegen “die Medien” auszuspielen, ist nicht zielführend, da es weder “die Justiz” noch “die Medien” gibt.
- Wirkungsvolle Kommunikation bedingt nicht nur eine genaue Kenntnis der eigenen Sache, sondern die Kenntnis des öffentlichen Diskurses und der Zielgruppen.
- Das Interesse in einem Rechtsstreit geht über diesen hinaus. (Journalismus macht aus allem journalistische Geschichten.)
Weiterführende Informationen: zhaw. Litigation-PR-Tagung 2022: “Sustainability, Accountability & Litigation-PR”