4. September 2021 (überarbeitet am 14. August 2022), siehe auch Videocast Krisenmanagement & ‑aufgaben)
In diesem Modul verstehen wir Krisenmanagement (im enegeren Sinne) in Anlehnung an Armin Töpfer als Management von Massnahmen zur Krisenvorbereitung und zur Krisenbewältigung (während der Krise).
Management als Führungsaufgabe
Unter Management versteht man allgemein die Planung, Steuerung und die Kontrolle (Schwarz & Löffelholz, 2019, S. 1) von Instrumenten und Massnahmen zur Erzielung von Ergebnissen unter Nutzung von Ressourcen. Der Managementprozess beinhaltet analytische, strategische und operative Komponenten (Scherler, 1996, S. 22).
Krisenmanagement ist dabei eine spezifische Form des allgemeinen Managements. Es versteht sich nach Dieter Herbst (1999, S. 37) „als die Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle von Massnahmen zur Vorbeugung, […] und Bewältigung von Krisen.“
Krisenmanagement (im engeren Sinne)
Krisenmanagement im engeren Sinne (nach Krystek) ist das Bemühen, den Verlauf der Krisenereignisse im Sinne der Organisation zu steuern. Dazu werden Massnahmen eingesetzt, die geeignet sind, die Krisenlage zugunsten der Organisation zu beeinflussen, die Negativfolgen möglichst gering zu halten und im Gegenzug die sich bietenden Chancen bestmöglich zu nutzen. Negativ formuliert geht es darum, einen “worst case” (siehe Katastrophe) zu verhindern.
Krisenmanagement lässt sich auch als Unternehmensmanagement unter besonderen Umständen – im Militärjargon: in ausserordentlichen Lagen – oder unter erschwerten Bedingungen bezeichnen.
Zu diesen besonderen Umständen gehört ein hohes Mass an Ungewissheit. Dies betrifft nach Klaus Merten (2014, S. 158) den Anfangs- und den Endzeitpunkt, die Ursache der Krise sowie das Niveau des Ausgangs. Bis zu einem gewissen Grad beeinflussbar durch Kommunikation, aber dennoch ungewiss ist ebenfalls der Verlauf einer Krise.
Des Weiteren nimmt die Handlungsfreiheit des Unternehmens mit der Zuspitzung der Krise kontinuierlich ab, wenn es nicht gelingt, den Krisenverlauf zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Das Unternehmen ist zudem stark exponiert: Die Öffentlichkeit beobachtet die Aktivitäten des Unternehmens kritisch; die Medien informieren und der Druck zu kommunizieren steigt stetig an.
Vor allem bei plötzlichen Krisen steht das Management unter hohem Zeitdruck.
- Nicht mehr der Erfolg steht im Vordergrund, sondern die Bedrohung.
Dies führt oft zu Angst, Panik und “Lähmung”.
Krisenphasen
Betriebswirtschaftliche Ansätze zum Krisenmanagement (im weiteren Sinne) differenzieren Krisenmanagement nach der Managementfunktion und dem zu steuernden Objekt unter der Berücksichtigung des Zeitraums in Bezug zur Krise (Krisenphasen). (Cooms, 2019; Löffelhoilz & Schwarz, 2019, 5)
Unter Berücksichtigung des Zeitraums zur Krise (Krisenphasen) unterscheidet man zwischen
- aktivem Krisenmanagement, das Massnahmen vor einer ausgebrochenen Krise umfasst;
- reaktivem Krisenmanagement mit Massnahmen zur Bewältigung einer ausgebrochenen Krise.
Nach dem Zweck (Dreyer, 2001, S. 27) differenziert man vor der Krise zwischen
- präventivem (vorbeugendem) Krisenmanagement mit dem Ziel, eine Krise zu vermeiden;
- antizipativem Krisenmanagement mit den Massnahmen zur Vorbereitung auf eine Krise.
Modell von Krystek
Das stark wirtschaftswissenschaftlich geprägte Modell von Krystek unterteilt das Krisenmanagement in vier Phasen (zu unterscheiden von Krisenverläufen nach Merten), wobei das antizipative und präventive (aktive) Krisenmanagement vor einer Krise anzusiedeln ist. Das repulsive und liquidative Krisenmanagement findet während der Krise statt.

Das antizipative und präventive (auch: aktive) Krisenmanagement besteht in der der gedanklichen Vorwegnahme möglicher Unternehmenskrisen, Prognosen und Szenarienentwicklungen, der Ableitung vorbehaltener Entschlüsse und der Krisenvorbereitung durch organisatorische Massnahmen.
Das repulsive Krisenmanagement versucht, die eingetretene Krise zurückzuschlagen und gilt demnach in einem sehr engen Sinne als das Krisenmanagement schlechthin.
Das liquidative Krisenmanagement wird dann eingesetzt, wenn dem Unternehmen mittel- bis langfristig keine Überlebenschancen eingeräumt werden können. Somit ist das liquididative Krisenmanagement für den bestmöglichen Rückzug und eine geordnete Auflösung der Unternehmung zuständig.
Modell von Töpfer
Das Modell von Armin Töpfer (2014, S. 248 ff.). unterscheidet zwischen
- der Krisenvermeidung mit dem Issues Management und dem Risikomanagement;
- dem eigentlichen Krisenmanagement mit der Krisenvorbereitung und der Krisenbewältigung;
- der Nachbereitung der Krise mit dem Wissens- und Changemanagement.

Aufgaben des Krisenmanagements (Baeriswyl, 2018)
Das hier (in diesem Modul) verwendete Modell baut auf den Krisenphasen nach Töpfer und konkretisiert dieses mit Aufgabenbereichen für jede Phase, wie dies im Videocast zum Krisenmanagement erläutert wird.

Aktuelle Tendenzen im Krisenmanagement
Falkheimer und Heide (2009) stellen zwei Tendenzen im Bereich der Krisenkommunikation fest: Eine klassische und eine postmoderne. Die Letztere ist geprägt von der Digitalisierung und den neuen Kommunikationsmöglichkeiten des Internet. “Im Krisenmanagement stehen sich zwei Positionen gegenüber: die moderne, die ihren Fokus auf Steuerung von Krisen legt und auf Strategien der Kontrolle und die post-moderne, deren Verständnis eine soziale Konstruktion von Krisen ist und ihr Fokus damit das Schaffen einer (spontanen) Sinnhaftigkeit der Wahrnehmung von Krisen”. (Thiessen, 2014, S. 13)
Traditionelle Krisenkommunikation | Post-moderne Krisenkommunikation | |
Organisationsform | Zentralisiert (straffe Systeme) | Dezentralisiert (lockere System<) |
Prozessfokus | Operational, durchdringend, technisch | Krisenprävention, operational-strategisch |
Führung und Kontrolle | Rationale Planung durch Regeln und Anweisungen | Improvisation innert eines trainierten strategischen Rahmens |
Kommunikationsfokus | Der Sender steht im Zentrum: “erzähle und predige” | Öffentliche Ansprüche stehen im Zentrum: “verstehe, verbinde und integriere.” |
Kommunikator | Ein zentraler Sprecher | Netzwerk von Kommunikatoren und Dialogen |
Medienwahl | Massenmedien | Massenmedien, Minderheiten- und Mikromedien, interpersonaler Dialog |
Kommunikationsziele | Öffentlichkeit wurde informiert und wiederholt die Inhalte | Anspruchsgruppen verstehen und handeln selbständig |
So ist postmoderne Krisenkommunikation nicht mehr konsequentes Handeln nach einer vorgegebenen Strategie, sondern” Improvisation innerhalb eines strategischen Rahmens”. (Thiessen, 2014, S. 6) Solche dialogorientierte Ansätze tragen dem sich ändernden gesellschaftlichen Umfeld sowie dem Krisenmerkmal “Ungewissheit” stärker Rechnung. “Die neue post-moderne Krisenkommunkationsforschung beschäftigt sich heute neu mit Phänomenen der nicht-Planbarkeit, der Spontanität, dem Chaos, der Überkomplexität von Situationen, dem irrationalen (Emotionen!) Handeln von Entscheidern, dem Einbeziehen von Erfahrungswissen, dem Überschreiten von Organisationsstrukturen oder dem Management von Ansprüchen”. (Thiessen, 2014, S. 6)