tabaeris/chatgpt, 8. Dezem­ber 2025

Im Ver­lauf orga­ni­sa­tio­na­ler Kri­sen las­sen sich drei ana­ly­tisch unter­scheid­ba­re, jedoch funk­tio­nal mit­ein­an­der ver­knüpf­te Situa­tio­nen dif­fe­ren­zie­ren. Die­se kön­nen zeit­lich über­lap­pen, mar­kie­ren aber unter­schied­li­che Pha­sen der Wahr­neh­mung, Deu­tung und Zuschrei­bung von Ver­ant­wor­tung im Kri­sen­ver­lauf (vgl. Kri­sen­ver­lauf). Jede Pha­se stellt spe­zi­fi­sche Anfor­de­run­gen an das kom­mu­ni­ka­ti­ve Han­deln einer Orga­ni­sa­ti­on und an deren stra­te­gi­sche Aus­rich­tung der öffent­li­chen Darstellung.

a) Not­fall­kom­mu­ni­ka­ti­on
Die­se Situa­ti­on beschreibt das erst­ma­li­ge Erken­nen eines kri­ti­schen oder poten­zi­ell scha­dens­stif­ten­den Zustands durch die Orga­ni­sa­ti­on.
Erfor­der­lich sind in die­ser Pha­se ein eng­ma­schi­ges Moni­to­ring (vgl. Issues Manage­ment) sowie eine unver­züg­li­che inter­ne und exter­ne Reak­ti­on.
Ziel der Not­fall­kom­mu­ni­ka­ti­on ist es, Trans­pa­renz über den Vor­fall her­zu­stel­len, Hand­lungs­an­wei­sun­gen (Direk­ti­va) zur Scha­dens­be­gren­zung zu kom­mu­ni­zie­ren und Empa­thie gegen­über den (poten­zi­ell) Betrof­fe­nen zu signa­li­sie­ren.
Kom­mu­ni­ka­tiv domi­niert hier der impe­ra­ti­ve und infor­ma­ti­ve Cha­rak­ter; die Hand­lungs­lo­gik ist reak­tiv und sicher­heits­ori­en­tiert.
Die­se Pha­se ent­spricht in Coombs’ Situa­tio­nal Cri­sis Com­mu­ni­ca­ti­on Theo­ry (SCCT) der „ope­ra­tio­nal cri­sis respon­se“ und zielt auf die Kon­trol­le phy­si­scher sowie sym­bo­li­scher Schä­den ab (Coombs, 2007).

b) Media­le Pro­blem­re­prä­sen­ta­ti­on
In die­ser Situa­ti­on wird die Kri­se von jour­na­li­sti­schen und sozia­len Medi­en als öffent­li­ches Pro­blem dar­ge­stellt. Ursa­chen, Scha­den und mög­li­che Fol­gen wer­den dis­kur­siv kon­stru­iert (deskrip­ti­ves Framing) und (meist auch) emo­tio­nal (Emo­tio­nen) auf­ge­la­den.
Ana­ly­tisch erfor­dert die­se Pha­se Framing-Ana­ly­sen sowie die Erfas­sung emo­tio­na­ler Dyna­mi­ken in der öffent­li­chen Bericht­erstat­tung und Dis­kus­si­on.
Die kom­mu­ni­ka­ti­ve Auf­ga­be der Orga­ni­sa­ti­on besteht dar­in, ihre Sicht­wei­se der Ereig­nis­se fak­tisch zu kon­tex­tua­li­sie­ren, Miss­ver­ständ­nis­se zu kor­ri­gie­ren, Falsch­dar­stel­lun­gen zu berich­ti­gen oder zusätz­li­che Infor­ma­tio­nen bereit­zu­stel­len.
Die­se Pha­se ver­weist auf die Bedeu­tung inter­pre­ta­ti­ver Pro­zes­se in der orga­ni­sa­tio­na­len Sinn­kon­struk­ti­on (Weick, 1988) und ver­deut­licht, dass Kri­sen wesent­lich sozi­al kon­stru­iert und medi­al ver­mit­telt sind (Frand­sen & Johan­sen, 2017).

c) Zuschrei­bung von Schuld und Ver­ant­wor­tung
Die­se Situa­ti­on ent­steht, wenn nor­ma­ti­ve Mass­stä­be – recht­li­che, mora­lisch-ethi­sche oder öko­no­mi­sche – auf die Orga­ni­sa­ti­on ange­wen­det wer­den. Öffent­lich­keit und Stake­hol­der-Publics bewer­ten das Ver­hal­ten der Orga­ni­sa­ti­on im Lich­te von Erwar­tun­gen, Pflich­ten und Wer­ten (vgl. Stake­hol­der-Kom­mu­ni­ka­ti­on, Repu­ta­ti­ons­ma­nage­ment).
Erfor­der­lich sind hier Ana­ly­sen der Ver­ant­wort­lich­keits­zu­schrei­bun­gen sowie der zugrun­de lie­gen­den nor­ma­ti­ven Frames in den jewei­li­gen Stake­hol­der-Dis­kur­sen.
Die Reak­ti­on der Orga­ni­sa­ti­on soll­te an der wahr­ge­nom­me­nen Ver­ant­wor­tung aus­ge­rich­tet wer­den: Sie kann je nach Kri­sen­ver­lauf von defen­si­ven (Leug­nung, Recht­fer­ti­gung) über aus­glei­chen­de (Ent­schul­di­gung, Kom­pen­sa­ti­on) bis hin zu trans­for­ma­tiv-stra­te­gi­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men (Neu­po­si­tio­nie­rung, Wer­te­kom­mu­ni­ka­ti­on) rei­chen.
In die­ser Pha­se ent­schei­det sich, ob die Kri­se als Repu­ta­ti­ons­scha­den, als mora­li­sche Her­aus­for­de­rung oder als Chan­ce zur Repo­si­tio­nie­rung wahr­ge­nom­men wird.

Benoits Image Repair Theo­ry (1997) lie­fert hier eine syste­ma­ti­sche Typo­lo­gie mög­li­cher Reak­ti­ons­stra­te­gien, wäh­rend die SCCT (Coombs, 2007) empi­ri­sche Hin­wei­se auf die Wirk­sam­keit unter­schied­li­cher Ver­ant­wor­tungs­ni­veaus und Stra­te­gie­ty­pen bietet.


Lite­ra­tur

  • Benoit, W. L. (1997). Image Repair Dis­cour­se and Cri­sis Com­mu­ni­ca­ti­on. Public Rela­ti­ons Review, 23(2), 177–186.
  • Coombs, W. T. (2007). Ongo­ing Cri­sis Com­mu­ni­ca­ti­on: Plan­ning, Mana­ging, and Respon­ding. Sage.
  • Frand­sen, F., & Johan­sen, W. (2017). Cri­sis Com­mu­ni­ca­ti­on: A Case­book Approach. Rout­ledge.
  • Weick, K. E. (1988). Enac­ted Sen­se­ma­king in Cri­sis Situa­tions. Jour­nal of Manage­ment Stu­dies, 25(4), 305–317.